Gaudiopolis war eine selbst verwaltete Kinder- und Jugendrepublik in Budapest von 1945 bis 1950. Es ist die unglaubliche Geschichte einer „gelebten Utopie“ im zerstörten Nachkriegseuropa, in der Kinder ihre eigenen Ideen von Demokratie spielend lebten.
Der lutherische Pastor Gábor Sztehlo (*1909 in Budapest – †1974 in Interlaken) rettete während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Ungarn mehr als 2000 Juden und Jüdinnen das Leben, 3/4 davon waren Kinder. Er versteckte sie in „Kinderheimen“, die unter dem Schutz seiner Kirche und des Roten Kreuzes standen, als „christliche Kinder jüdischer Herkunft“. Ende 1945 strömten weitere Waisen- und Kriegskinder unterschiedlichster Sozialisation (insgesamt mehr als 200) in die von ihm „besetzten“ Villen in Buda. Sztehlo entwickelte mit seinen MitstreiterInnen das reformpädagogische Konzept der Kinder- und Jugendrepublik Gaudiopolis, deren Vorbilder in: „The Republic of Shkid“, „Boys Town“, und in den Schriften von Anton Makarenko zu finden sind.
In Gaudiopolis trafen die Kinder auf Grund von Wahlen Entscheidungen, und sorgten gemeinsam für ihren Unterhalt und Überleben. Gábor Sztehlo initiierte die Gründung dieser Kinderrepublik, um die Gemeinschaft und Toleranz unter den Kindern zu stärken, unabhängig von ihren religiösen oder sozialen Wurzeln. Nach der größten Zäsur in der Menschheitsgeschichte hoffte der Pastor, dass die neue Generation Wege findet, eine friedliche Gesellschaft aufzubauen.
Gábor Sztehlo regte an, dass die Kinder ihr Leben selbständig meistern und selbstkritisch soziale Grenzen überwinden. Es wurde eine Verfassung erstellt, ein MinisterpräsidentIn gewählt, der „Gapo-Dollar“ als Währung eingeführt, aus Papiermangel eine Wandzeitung herausgebracht, zahlreiche MinisterInnen eingesetzt; Sztehlo wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt. Die Regierung saß im Haupthaus, der „Wolfshöhle“. Die anderen Gebäude hießen „Schwalbenvilla“, „Regenbogenhaus“, „Adlerhorst“, „Villa der Eichhörnchen“ und „Mädchenburg“.